Die Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage leistet in Europa schon seit langem auf vielfältige Weise humanitäre Arbeit. Diese konkrete Hilfsaktion für Flüchtlinge hat sich jedoch im Laufe zweier Jahrzehnte entwickelt. Schon in ganz jungen Jahren hatte Barbara Spezini einen Traum. Sie träumte von einer Welt, in der Frauen, die geschlagen und misshandelt wurden und vor ihren Unterdrückern fliehen, Trost und Selbstachtung finden können sowie sich Fertigkeiten aneignen können, die ihnen ein besseres Leben ermöglichen. Aber sie träumte nicht bloß; sie unternahm auch etwas. 2003 begann sie, Frauen zu helfen, die Gefahren ausgesetzt waren. Sie arbeitete ehrenamtlich in einem Krankenhaus, wo sie jungen Mädchen aus Rumänien half, die sich aus der Zwangsprostitution befreien wollten.
Italien nahm diese rumänischen Flüchtlinge zwar auf, jedoch nur für ein Jahr, damit sie unabhängige Staatsbürger werden konnten. Ein Jahr wahr jedoch nicht ausreichend, um die Schwierigkeiten mit der Sprache, das Trauma durch die zuvor erlittenen Misshandlungen und den Mangel an beruflichen Fertigkeiten zu bewältigen. „Ich musste einen Weg finden, diesen Frauen zu helfen“, erklärt Barbara. „Ich glaube, dass Gott sie mir gesandt hat.“
2017 gab eine regierungsunabhängige Organisation Barbara 10.000 Euro, damit sie eine Hilfsorganisation für Flüchtlinge, vor allem für Mütter mit Kindern, aufbauen konnte. Sie gründete Articulo 10, eine Organisation, die Gelder sammelt, um Unterkunftskosten zu decken. Es war jedoch auch erforderlich, an diese geflüchteten Frauen nützliche berufliche Fertigkeiten weiterzugeben. Daher wurde Colori Vivi ins Leben gerufen.
Colori Vivi ist ein gewinnorientierter Hersteller von Bekleidung und Accessoires mit dem Schwerpunkt Damenmode. Der Hauptsitz ist in Turin. Colori Vivi bietet Müttern eine Arbeitsstelle oder Ausbildung als Schneiderin, wodurch sie wiederum besser für sich selbst und ihre Kinder sorgen können. Die Kreativität, die zum Modedesign gehört, ist für diese Frauen ebenfalls eine nützliche Fähigkeit, denn sie sind maßgeblich an der Farb- und Stoffauswahl beteiligt. „Sadia, ein neues Mitglied unseres Teams, hatte die Idee zu einem Stoffmuster mit einer Sternennacht für ein bestimmtes Kleidungsstück“, ergänzt sie. „Als sie aus einem Gefängnis in Libyen floh, war es draußen dunkel, sodass nur das Licht der Sterne ihr den Weg in die Freiheit zeigen konnte. Sadia nutzte diese traumatische Erfahrung, um etwas Inspirierendes und Schönes zu gestalten“, erklärt sie.
Die Frauen, die bei Colori Vivi arbeiten, kommen aus vielen verschiedenen Ländern, darunter Nigeria, Somalia und Libyen. Die meisten von ihnen flohen aus kriegszerrütteten Dörfern, entkamen Gewalt in der Ehe oder ließen ein Leben auf der Straße hinter sich. Sie kommen mit kaum mehr als Entschlossenheit und Hoffnung an. Ein einträglicher Arbeitsplatz und eine bezahlbare Unterkunft bewirken in ihrem eigenen Leben und im Leben ihrer Kinder eine erhebliche Veränderung. Im Mittelpunkt der Arbeitskultur und Mission von Colori Vivi stehen Selbstermächtigung, persönlicher Fortschritt und Umweltverträglichkeit. Grace, eine der Arbeiterinnen, hat dies perfekt in Worte gefasst: „Ich bitte Gott stets darum, dass diese Arbeitsstelle im Schneiderhandwerk mich an mein Ziel bringt und mir zu Fortschritt verhilft sowie meinen Kindern Zugang zu Bildung ermöglicht“, erklärt sie.
Latter-day Saint Charities (LDSC) ist ein gemeinnütziger Zweig der Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage. LDSC hat eine schon lange bestehende und vertrauensvolle Beziehung zu Barbara Spezini, die auf karitative Bemühungen von Bob und Leslie Gale, einem ehemaligen Missionarsehepaar, zurückgeht. „Barbara hat es zu ihrer Lebensaufgabe gemacht, anderen Frauen zu helfen“, so Kraig Christensen, ein Senior-Missionar für humanitäre Hilfe und Eigenständigkeit. Es ist uns eine Ehre, etwas zu ihren guten Werken beizusteuern und sie dabei zu unterstützen, ihre inspirierte Vision zu verwirklichen.“
Im Laufe der letzten Jahre hat LDSC Nähmaschinen und andere Spezialmaschinen für das Schneiderhandwerk beigesteuert – für Leder und Spezialstoffe. Außerdem hat LDSC für Colori Vivi vor kurzem Betriebsmittel und neue Stoffe gekauft. „Barbara ist Christin und hat großen Glauben. Wir haben mit ihr viele Werte gemeinsam“, ergänzt Christensen. Für 2021 erwartet Colori Vivi einen Umsatz von über 70.000 Euro. 2020 betrug der Umsatz noch 41.000 Euro, und 2019 waren es 27.000 Euro.
Eigenständig und unabhängig zu werden, ist ein wichtiges Ziel für die Migrantinnen, die bei Colori Vivi arbeiten. Bis heute haben 44 Familien eine Arbeitsstelle und/oder eine Unterkunft bekommen, und über 100 weitere haben Hilfe erhalten, damit ein konkretes Bedürfnis gestillt werden konnte. Ein italienisches Sprichwort sagt, dass man aus den eigenen Händen trinken muss und nicht aus den Händen anderer. „Diese widerstandsfähigen Frauen wollen aus den eigenen Händen trinken können“, erklärt Barbara. „Colori Vivi hat sich der Aufgabe verschrieben, ihnen zu helfen, dieses Ziel zu erreichen.“