1890 verließen vier Mitglieder der Kirche Haus und Herd in Utah,
um in Frankreich eine Mission zu erfüllen. Ihre Aufgabe war jedoch
ein wenig anders als die der übrigen Missionare, die das Evangelium
nach Europa bringen sollten. Anstatt auf den Straßen über die
wiederhergestellte Kirche und das Buch Mormon zu predigen, zogen
sich diese vier Männer – Lorus Pratt, John B. Fairbanks, John Hafen
und Edwin Evans – monatelang in die Ateliers und Unterrichtsräume
der großen Pariser Künstler zurück. Dort schulten sie das
künstlerische Talent, das Gott ihnen ihrer Ansicht nach mitgegeben
hatte, um bei ihrer Rückkehr nach Utah im Salt-Lake-Tempel, der
bald geweiht werden sollte, die Wände bemalen zu können. Wenig
später stieß noch ein fünfter „Kunstmissionar“ zu ihnen, der
neunzehnjährige Herman H. Haag. Die Missionare waren überzeugt, vom
Herrn zu dieser ungewöhnlichen Aufgabe berufen worden zu sein. „Da
ich fest daran glaube, dass die höchstmögliche Entwicklung unserer
Talente eine Pflicht ist, die zu erfüllen wir unserem Schöpfer
schuldig sind“, schrieb Elder Hafen, „hatte ich viele Jahre lang
gebetet, der Herr möge mir den Weg zu einer Ausbildung eröffnen,
die mich in die Lage versetzen würde, seine heiligen Tempel und die
Wohnstätten Zions auszuschmücken.“ (Linda Jones Gibbs, Harvesting
the Light: The Paris Art Mission and the Beginnings of Utah
Impressionism, Seite 3.) Linda Curley Christensen, Künstlerin und
Mitglied der Kirche, bewundert die Hingabe der Kunstmissionare aus
der Anfangszeit der Kirche schon seit langem. Sie dachte oft an
Präsident Gordon B. Hinckleys Aufruf an die älteren Mitglieder,
ihre Fachkompetenz im Rahmen einer Mission zu nutzen. Deshalb bot
sie sich vor einigen Jahren an, dem Beispiel Bruder Hafens und
seiner Gefährten zu folgen und als Kunstmissionarin Wandbilder für
Tempel zu malen. Schwester Christensens Wunsch ging dieses Jahr in
Erfüllung, als sie und über ein Dutzend andere glaubensfeste
Künstler als Missionare berufen und eingesetzt wurden, um für den
Oquirrh-Mountain-Utah-Tempel, der in South Jordan gebaut wird,
Wandgemälde zu schaffen. Seit Juni kommen die Missionare in
Schwester Christensens Atelier in Wallsburg in Utah zusammen und
arbeiten an den farbenfrohen Wandgemälden. Wie die Missionare, die
ihr vorangegangen waren, sagt Schwester Christensen, dass sie bei
allen Gottes Hand spüren kann – in der Berufung und in der
Arbeit.
„Ganz bestimmt sind Engel um uns gewesen, die uns aufrechthalten
und stützen“, bezeugt sie. Das Team der Kunstmissionare setzt sich
aus Malern und Bildhauern zusammen, die auf eine Vielzahl von
Techniken spezialisiert sind. Einige kommen zum Atelier von so weit
her wie Idaho oder Nephi in Utah. Missionare, die nahe beieinander
wohnen, bilden häufig Fahrgemeinschaften und teilen sich die
Benzinkosten. Unter der Leitung von Schwester Christensen
übernehmen die Missionare unterschiedliche Aufgaben: Sie malen
nicht nur, sondern mischen auch Farben, räumen nach der Arbeit auf
und dokumentieren, was sie geschaffen haben. Auch Schwester
Christensens Mann Greg hat geholfen: Er baute riesige Staffeleien
auf Rädern, auf denen die massiven Wandgemälde Platz haben.
Wenn man erst einmal im Atelier ist, denkt niemand mehr an sich.
Vor dem Malen wird regelmäßig zuerst gebetet, dann folgt eine
Andacht. „Wenn wir dienen, Zeit opfern und unsere Talente nutzen,
sind wir noch stets reichlich dafür gesegnet worden“, erzählt
Schwester Christensen. Das Projekt der Kunstmissionare für den
Oquirrh-Mountain-Utah-Tempel steht kurz vor dem Abschluss. Wenn die
Wandbilder einmal fertig sind, werden sie sorgfältig auf Rollen
gewickelt, in große Röhren geschoben und zum Tempel gefahren.
Bruder Christensen wird bei der Montage helfen, und die Missionare
werden den Gemälden dann an Ort und Stelle bei Bedarf noch den
letzten Schliff verleihen. Laut Schwester Christensen werden die
Missionare anschließend künstlerische Arbeiten für weitere Tempel
erstellen. Für ihre Mitarbeiter sind die Tempelprojekte ein
Höhepunkt ihrer glänzenden Laufbahn als Künstler. „Es war einfach
unglaublich – ich kann nicht darüber sprechen, ohne dass mir die
Tränen kommen“, sagt Carol Jackman, Bildhauerin und Malerin aus
Provo. „Dass wir unsere Talente für so etwas einbringen dürfen, ist
ein Geschenk für uns.“ Richard Miles aus Fruit Heights in Utah malt
Natur- und Landschaftsbilder. Er freut sich über die Kameradschaft,
die bei der Arbeit an den Wandgemälden unter den Missionaren
entstanden ist. „Kunst ist normalerweise eine Sache für
Einzelkämpfer, aber hier herrscht ein enormer Teamgeist.“ Schwester
Christensen findet, dass die Kunstmissionare der ersten Generation
es schwer hatten. Die Lebensbedingungen in Paris waren spartanisch,
und sie mussten ihre Kunstfertigkeit weit entfernt von Frau und
Kindern schulen. „Sie haben einiges auf sich genommen, ein großes
Opfer gebracht“, meint sie. Es macht sie noch immer verlegen, dass
sie beauftragt wurde, diese Arbeiten und Mühen fortzuführen.
Schwester Christensen ist dankbar, dass eine weitere Generation von
Kunstmissionaren mit ihren Talenten künftigen Tempelbesuchern zu
bereichernden und tieferen Erlebnissen verhelfen wird.
Foto von Tom Smart/Deseret News Kunstmissionarin Gwen Clark malt ein Blumendetail in einer Landschaftsszene. Gemeinsam mit den übrigen Missionaren arbeitet sie schon seit Monaten an dem Projekt. |
Mehrere Kunstmissionare gestalten Teile von Wandgemälden für den Oquirrh-Mountain-Utah-Tempel. Sie arbeiten gern zusammen. |
Foto von Tom Smart/Deseret News Zwei Kunstmissionarinnen aus Utah, Billie Murray aus Bountiful (links) und MaryAnn Smith aus Alpine, arbeiten in einem Künstleratelier in Wallsburg/Utah miteinander an einem Wandbild. Wenn die Wandmalereien fertig sind, werden sie im Oquirrh-Mountain-Utah-Tempel angebracht. Die Missionare haben vorher auf ganz unterschiedlichen Gebieten künstlerisch gearbeitet und bringen entsprechend vielfältige Erfahrung mit. |
Foto von Tom Smart/Deseret News Im Atelier von Schwester Linda Curley Christensen hat das Projekt sein Hauptquartier gefunden. |
Foto von Tom Smart/Deseret News Schwester Linda Curley Christensen (links) und Schwester Carol Harding beraten sich, wie man auf einem Teil eines Wandbildes am besten weiter vorgehen sollte. Die Kunstmissionare bitten den Herrn regelmäßig im Gebet um Führung. |
Eine Kunstmissionarin bei den Vorarbeiten für ein Wandgemälde, das im Oquirrh-Mountain-Utah-Tempel in South Jordan in Utah angebracht werden soll. |
Foto von Edith Bunker Unter den Händen der Missionare entstehen zu Beginn des Projekts die ersten Entwürfe der Wandgemälde für den neuen Tempel in South Jordan. Über ein Dutzend Künstler wurden als Kunstmissionare berufen. |