SALT LAKE CITY, 1. August 2008. Wenn Jeff (Name geändert),
Gesprächsleiter einer Selbsthilfegruppe zur Genesung von
Suchtkranken, sich mit Menschen zusammensetzt, die mit
Abhängigkeiten zu kämpfen haben, erklärt er ihnen nicht etwa, was
sie zu tun haben. Er berichtet vielmehr davon, was ihm geholfen hat
und noch immer hilft, sich von den Abhängigkeiten zu befreien, die
ihn selbst gefesselt hatten, und Tag für Tag enthaltsam zu bleiben.
Jeff macht ehrenamtlich bei einem Genesungsprogramm für Suchtkranke
mit, das vom Familiendienst der Kirche Jesu Christi der Heiligen
der Letzten Tage gefördert wird, einer sozialen Einrichtung dieser
Kirche. Das Programm wurde im Laufe der letzten zehn Jahre
entwickelt, um Menschen zu helfen, die unter den verheerenden
Folgen der verschiedenen Formen von Abhängigkeit leiden. Die
bisherigen Ergebnisse sind beeindruckend. Den Gedanken, ein
Programm aufzulegen, hatte man bei der Kirche erstmals in den
siebziger und achtziger Jahren, als der Missbrauch von
Genussmitteln, Medikamenten und Drogen für immer mehr Schlagzeilen
sorgte. Einzelne Mitglieder der Kirche Jesu Christi hatten
unabhängig voneinander positive Erfahrungen mit Selbsthilfegruppen
gemacht, die in zwölf Schritten zum Erfolg führten. Sie gründeten
eigene Gruppen, die sich an den Lehren ihrer Kirche orientierten.
Wie erfolgreich diese Gruppen waren, stellte sich Ende der
achtziger, Anfang der neunziger Jahre heraus, als deren
Gesprächsleiter in ihren Gemeinden anfragten, ob man auch in
Gebäuden der Kirche zusammenkommen könnte. 1993 schließlich baten
die Verantwortlichen einiger Gemeinden der Kirche Jesu Christi den
Familiendienst, alle Genesungsprogramme der Kirche unter seiner
Leitung zusammenzufassen und ein einheitliches Programm mit
einheitlichen Richtlinien festzulegen. "Das kam fast einem Wunder
gleich", meint Doug LeCheminant, der das Genesungsprogramm für
Suchtkranke seit 2002 leitet. "Alle Gruppen hatten gutes Material,
also gingen wir mit vereinten Kräften an die Sache heran. Wir
wollten ja alle dasselbe: Menschen helfen, von Abhängigkeiten
geheilt zu werden." Nach jahrelanger Forschungs- und
Entwicklungsarbeit stellte der Familiendienst ein neues Arbeitsbuch
mit dem Titel Eine Anleitung zur Genesung und Heilung von
Suchtkranken vor, das in allen von der Kirche geförderten
Selbsthilfegruppen verwendet werden sollte. Es orientierte sich an
dem zwölfstufigen Programm der Anonymen Alkoholiker, war aber den
Lehren, Grundsätzen und Glaubensansichten der Kirche Jesu Christi
der Heiligen der Letzten Tage angepasst.* Nannette Wiggins, die als
Missionarin ehrenamtlich hilft, fand die Anleitung einmalig: "So
etwas hat die Kirche in ihrer Geschichte noch nie veröffentlicht.
Diese Anleitung wurde - unterstützt von Führern der Kirche und
Fachleuten - von Menschen verfasst, die selbst suchtkrank waren und
das Wunder der Genesung durch das Sühnopfer Jesu Christi erlebt
haben." Jeff wuchs in der Kirche Jesu Christi der Heiligen der
Letzten Tage auf, verlor jedoch in den letzten Schuljahren sein
Interesse an Religion. Nachdem er ein intensives geistiges Erlebnis
gehabt hatte, erarbeitete er sich seinen Weg zurück in die
Gemeinschaft der Gläubigen. Alkohol und Tabak hatte er bereits
hinter sich gelassen, aber von seiner Abhängigkeit von Pornografie
konnte er nicht lassen. "Ich kämpfte verzweifelt dagegen an",
berichtet er. "Ich hatte alles versucht und war doch kläglich
gescheitert." Da die Kirche damals noch kein eigenes
Genesungsprogramm für Suchtkranke hatte, empfahl Jeffs Bischof (der
Seelsorger seiner Gemeinde) ihm, an seinem Wohnort an einem
zwölfstufigen Programm teilzunehmen, das Hilfe bei sexuellen
Abhängigkeiten versprach. Jeff war damit einverstanden. Als er zum
ersten Mal zu einem Treffen der Gruppe ging, hatte er schweißnasse
Hände und sein Magen rumorte, doch dann stellte er erstaunt fest,
dass die Leute dort genauso waren wie er: ganz normale Menschen,
wie man ihnen bei der Arbeit, in der Kirche oder in der Schule
begegnet. Zum ersten Mal im Leben fühlte er sich so sicher, dass er
über seine Sucht sprechen und dagegen angehen konnte - ohne Angst,
man könnte über ihn klatschen. (Bei allen zwölfstufigen
Genesungsprogrammen, so auch bei dem der Kirche, ist
Vertraulichkeit ein eiserner Grundsatz. Ein Klima, in dem Vertrauen
gefördert wird und man an seinen Problemen arbeiten kann, ohne
befürchten zu müssen, dass man verspottet oder gemieden wird, ist
unverzichtbar.) "Das Wunderbare an den Gruppentreffen ist, dass
alle im selben Boot sitzen", berichtet Jeff. "Niemand ist vor mir
ausgerissen oder hat mich gehasst. 'Das kenne ich' hieß es da. 'Ich
weiß, was dir zu schaffen macht.'"; Jeff profitierte vom Kontakt
mit anderen aus der Gruppe, die dieselbe Form der Abhängigkeit
durchlitten und den Weg zur Genesung schon bewältigt hatten oder
noch dabei waren, ihn zu bewältigen. "Ich habe mich davon
überzeugen können, dass das Programm auf dem Evangelium Jesu
Christi beruht. Anfangs war es wirklich hart, aber ich ging sehr
oft zu den Treffen, arbeitete jeden Schritt ab und kam dadurch
schließlich von der Sucht frei", erzählt er weiter. "Die Versuchung
wurde ich zwar nicht los, aber ich verspürte nicht länger den
Zwang, ihr nachzugeben. Endlich war ich frei, mich gegen die Sucht
zu entscheiden und mit meinem Leben etwas Besseres anzufangen." Als
Jeff sich langsam erholte, bat man ihn, in einer Selbsthilfegruppe
der Kirche die Gesprächsleitung zu übernehmen, in der die
Abhängigkeit von Pornografie bekämpft werden sollte. "Ich wollte
die Erfahrungen, den Glauben und die Hoffnung, die man mir gemacht
hatte, gern an andere weitergeben", erläutert er. Anfangs bestand
die Gruppe nur aus zwei Teilnehmern, doch inzwischen ist sie auf
bis zu 45 Anwesende angewachsen. "Zu den Treffen zu kommen ist der
Schlüssel", so Jeff. "Es erschließt einem den Zugang zur Sucht. Es
hat etwas gedauert, bis ich die sichere, offene Atmosphäre, die so
von Glauben und Überzeugung geprägt ist, richtig in mich aufnehmen
konnte und mein Herz erweicht wurde.
Doch nach einer Weile konnte ich allmählich auf Teile meines
Suchtverhaltens verzichten, und als mein Glaube an Christus zunahm,
wurden diese Teile immer größer und größer. Einen derartigen
Glauben hätte ich nicht schöpfen können, wenn ich Bücher oder
Ansprachen gelesen hätte." Jeff zitiert das Buch Mormon, eine von
den Heiligen der Letzten Tage als Ergänzung der Bibel angesehene
heilige Schrift, wenn er erklärt, wie es ihm geholfen hat, sich
regelmäßig mit anderen Abhängigen zu treffen. "Ich musste die
Isolation hinter mir lassen und mich oft mit anderen treffen,"um zu
fasten und zu beten und miteinander über das Wohlergehen [unserer]
Seele zu sprechen" (Moroni 6:5). "So etwas hätte ich, ehrlich
gesagt, anderswo nicht gekonnt", sagt er. "Dazu braucht man viel
Zeit, aber es funktioniert." Laut dem Familiendienst der Kirche
Jesu Christi gibt es derzeit knapp 1000 Gruppen in den USA und
Kanada sowie weitere in Mexiko, Australien, Neuseeland, England,
Deutschland und der Mongolei. In vielen anderen Regionen ist
beabsichtigt, solche Gruppen ins Leben zu rufen – so auch für
Militärangehörige in Afghanistan. Über 2000 Missionare im
Kirchendienst und andere Ehrenamtliche leiten Gruppen des Programms
zur Genesung Suchtkranker. In etwa 25 Prozent der
Selbsthilfegruppen geht es einzig und allein darum, die
Abhängigkeit von Pornografie zu überwinden. Die übrigen sind
allgemeinerer Natur und richten sich gegen Drogen- und
Alkoholmissbrauch, aber auch gegen Essstörungen und andere
Suchtformen. Das Arbeitsbuch zur Genesung Suchtkranker wird schon
bald in 12 Sprachen erhältlich sein, darunter auch Braille. Seit
Februar 2006 fanden bereits über 150 000 Exemplare einen Abnehmer
oder wurden aus dem Internet heruntergeladen. Jede
Selbsthilfegruppe untersteht der Gesamtaufsicht eines kirchlichen
Leiters vor Ort, der mit dem Leiter einer Zweigstelle des
Familiendienstes zusammenarbeitet. Die Gruppen halten mindestens
einmal wöchentlich ein Treffen ab. Missionare oder andere
Ehrenamtliche, die bereits seit mindestens einem Jahr enthaltsam
leben, übernehmen dabei die Leitung der Gesprächsrunden. Der Leiter
des Programms, LeCheminant, stellt fest: "Bei den Treffen stehen
die Lösungen im Mittelpunkt, nicht die Schwierigkeiten. Dabei wird
betont, dass die Kraft des Sühnopfers Jesu Christi jede
Schwierigkeit überwinden kann." Die Treffen dauern etwa eine Stunde
und sind kostenlos. Eine ärztliche Überweisung ist dazu nicht
erforderlich. Sie stehen jedermann offen, unabhängig von der
religiösen Ausrichtung. * Die zwölf Schritte wurden mit
freundlicher Genehmigung von Alcoholics Anonymous World Services,
Inc. abgewandelt und nachgedruckt.
Hinweis an Journalisten:Bitte verwenden Sie bei der Berichterstattung über die Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage bei deren ersten Nennung den vollständigen Namen der Kirche. Weitere Informationen hierzu im Bereich Name der Kirche.