Vom 2. bis 4. Mai hielt die spanische Regierung, die bis Juni
2010 die EU-Ratspräsidentschaft innehat, in Córdoba eine
internationale Konferenz zum Thema „Religionsfreiheit in einer
demokratischen Gesellschaft“ ab. Auch eine Delegation der Kirche
Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage war zur Konferenz
eingeladen. Elder Erich W. Kopischke, Präsident der Kirche in
Europa, führte die Delegation an. Frerich Görts, der die Kirche bei
der Europäischen Union vertritt, Elder Faustino López, ein
Gebietssiebziger aus Spanien, und Gabriele Sirtl, Direktorin für
Öffentlichkeitsarbeit im Gebiet Europa, nahmen ebenfalls an der
Konferenz teil.
Vertreter von etwa 120 europäischen Staaten, religiöse
Würdenträger, Pädagogen sowie Vertreter aus Gesellschaft und Medien
waren bei der Konferenz in Córdoba anwesend, die von den spanischen
Ministerien des Äußeren, der Justiz und des Inneren ausgerichtet
wurde und unter der Schirmherrschaft der UN-Allianz der
Zivilisationen stand.
Nach einer Plenarsitzung zum Thema „Muss die Demokratie den
religiösen Pluralismus neu überdenken?“ fanden parallel vier
Podiumsdiskussionen statt. Elder Kopischke und Frerich Görts wurden
eingeladen, sich an den zwei aufeinanderfolgenden
Podiumsdiskussionen „Die Rolle eines religiösen Führers in der
Förderung einer friedlichen Grundhaltung“ und „Religiöser
Pluralismus in der demokratischen Gesellschaft“ zu beteiligen und
eine Rede zu halten.
Elder Erich Kopischke äußerte sich folgendermaßen zu
Diskriminierung und religiöser Toleranz: „Die Geschichte der in der
Öffentlichkeit eher unter der landläufigen Bezeichnung ,Mormonen‘
bekannten Kirche bewegt sich im weiten Spannungsfeld zwischen
rücksichtsloser Verfolgung und bewundernder Akzeptanz ihrer
Mitglieder. … Die etwa 500.000 Mitglieder der Kirche in Europa
schätzen den ihnen entgegengebrachten Respekt und die in der Regel
durch die Verfassung geschützte Religions- und Glaubensfreiheit.
Sie sind auch selbst bemüht, Menschen, die einem anderen oder gar
keinem Glauben angehören, mit Achtung zu begegnen. …
Schwierigkeiten im menschlichen Umgang jedoch bereitet zuweilen in
europäischen Gesellschaften bis heute die Verwendung von
Allgemeinnamen für Minderheitskirchen im Alltag und in den Medien.
Insbesondere Begriffe wie ,Sekte‘ oder ,Kult‘ sind ,durch ihren
stereotypisierenden Effekt geeignet […], das journalistische
Postulat einer Trennung von Nachricht und Meinung zu
verwischen‘1 und Vorbehalte sowie Vorurteile zu
etablieren. Schnell werden Religionsgemeinschaften, deren Anhänger
sich konsequent an bestimmte Lebensregeln halten, kritisiert. Die
deutschen Politikwissenschaftler Uwe Backes und Eckhard Jesse
erwidern darauf: ,Fröhlich-unbeschwert konsumierenden Zeitgenossen
mag all dies höchst „verdächtig“ erscheinen, doch die Entscheidung,
sich „anders“ zu verhalten, „anders“ zu leben, „anders“ zu denken,
ist dem Einzelnen in einer offenen Gesellschaft solange
freigestellt, wie er die Rechte des Anderen nicht verletzt. Die
Geschichte des christlichen Mönchtums zeigt, dass kleine
geschlossene Gemeinschaften Quelle der Inspiration zu sein und
diese in vielfältiger Weise zu bereichern
vermögen.‘2
Mit diesem geschichtlichen und gesellschaftlichen Hintergrund im
Rücken stehe ich hier heute als persönlich Betroffener vor Ihnen.
Die Diskussion zum Thema religiöse Toleranz ist für mich mehr als
nur eine akademische Pflichtübung. Sie verknüpft sich mit
persönlichem Lebenssinn und der Freiheit, Gott nach den Eingebungen
meines Gewissens zu verehren. Daher kann ich nicht umhin, sie mit
Leidenschaft zu verteidigen.
Der elfte von dreizehn Glaubensartikeln, in denen die grundlegenden
Lehren der Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage
zusammengefasst sind, lautet: ,Wir beanspruchen das Recht, den
Allmächtigen Gott zu verehren, wie es uns das eigene Gewissen
gebietet, und gestehen allen Menschen das gleiche Recht zu, mögen
sie verehren wie oder wo oder was sie wollen.‘3
Dieser Glaubensgrundsatz, der im Jahre 1842 formuliert wurde,
könnte auch heute als Leitsatz für den friedlichen Umgang der
Religionen untereinander dienen. Er beansprucht nicht nur die
eigene Freiheit in der Gottesverehrung, sondern gewährt sie
ausdrücklich auch allen anderen Menschen. Ich gehe sogar noch einen
Schritt weiter und sage, dass es unsere Pflicht als Christen und
Staatsbürger ist, andere Menschen in ihrer Freiheit aktiv zu
schützen und zu unterstützen.
Das Eintreten für die Rechte Anderer ist ein Gebot und eine
Herausforderung für alle Menschen. Wir dürfen niemals vergessen,
dass wir in einer Welt großer Vielfalt leben. Die Weltreligionen,
aber auch christliche Konfessionen untereinander mögen sich in
Fragen der Lehre und religiösen Praxis unterscheiden. Aber das darf
nicht zu Feindseligkeiten führen oder uns dazu veranlassen, uns für
heiliger oder besser als die anderen zu halten.4 …
Für mich ist es klar, dass dort, wo sich Religionsfreiheit
entfalten kann, Demokratie und wirtschaftliches Wohlergehen folgen.
Wenn solche Freiheiten eingeschränkt werden, aus welchem Grund auch
immer, schwindet die Demokratie und Konflikte entstehen.
Als Menschen des Glaubens müssen wir Schulter an Schulter stehen,
um die verfassungsgemäßen institutionellen und sozialen Freiheiten
der Religion einzufordern.“
In Artikel 17 des Vertrags von Lissabon ist verankert, dass der
Status, den Kirchen und religiöse Vereinigungen oder Gemeinschaften
nach nationalem Recht in den einzelnen EU-Mitgliedsstaaten
genießen, geachtet wird, und in Paragraf 3 übernimmt die EU die
Verpflichtung, mit diesen Kirchen und Gemeinschaften einen offenen,
transparenten und regelmäßigen Dialog zu pflegen. Die Konferenz in
Córdoba sollte unter Mitwirkung der erwähnten Meinungsbildner einen
Beitrag zu eben diesem Dialog leisten.
Das Hauptziel bei der Konferenz bestand darin, religiöse Freiheit
in einer demokratischen Gesellschaft zu diskutieren, da Demokratie
und die Rechtsstaatlichkeit den idealen Rahmen bieten, um
Religions- und Gewissensfreiheit sowie Glaube und einen Pluralismus
an Glaubensbekenntnissen ausüben zu können. Die Konferenz in
Córdoba sollte konkrete Ergebnisse erzielen, die in vier
Hauptbereichen in UN-Initiativen und -Projekte umgemünzt werden
können: Bildung, Jugend, Medien und Migration.
Die Ergebnisse von Córdoba werden auf einer Konferenz der
UN-Allianz der Zivilisationen vom 27. bis 29. Mai 2010 in Rio de
Janeiro vorgestellt. Ein einflussreiches Netzwerk aus über 2000
Politikern, Unternehmensführern, Bürgerrechtlern, Jugendlichen,
Journalisten, Verbänden und religiösen Führern wird in Rio de
Janeiro zusammenkommen und sich um eine Einigung bemühen, wie man
gemeinsam die interkulturellen Beziehungen verbessern und
Bedingungen für einen dauerhaften Frieden schaffen kann. 1
Patrick Warto, „Schlag“-wort Sekte, 2008, Seite 25 2 Uwe
Backes/Eckhard Jesse, Vergleichende Extremismusforschung, 2005,
Seite 375 3 11. Glaubensartikel der Kirche Jesu Christi der
Heiligen der Letzten Tage 4 Siehe Gordon B. Hinckley, „Das
Werk geht voran“, Frühjahrs-Generalkonferenz 1999, Der Stern, Juli
1999, Seite 4f.
Hinweis an Journalisten:Bitte verwenden Sie bei der Berichterstattung über die Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage bei deren ersten Nennung den vollständigen Namen der Kirche. Weitere Informationen hierzu im Bereich Name der Kirche.