Es sind Bilder, wie wir sie kennen: Wo manche von Katastrophen
heimgesucht werden, zeigen sich andere von ihrer besten Seite; sie
verzichten auf Annehmlichkeiten, die Wahrnehmung von Terminen und
Eigeninteressen und tun, was die Bibel als reinen und makellosen
Dienst vor Gott bezeichnet, nämlich „für Waisen und Witwen zu
sorgen, wenn sie in Not sind“.
In unserer Kirche gab es tausende Hilfsangebote und wir sind nur
eine von vielen Organisationen. „Ich war als Missionar dort und
spreche Kreolisch. Wie kann ich helfen?“ Oder: „Ich bin Arzt und
kann sofort abreisen, wenn Sie mir nur einen Platz im Flieger
besorgen.“
Während andere Hilfsorganisationen und Behörden noch die vielen
Hilfsangebote koordinierten, setzte die Kirche Jesu Christi der
Heiligen der Letzten Tage bereits ihre humanitären Hilfsgüter in
Bewegung, sobald die Meldungen den Hauptsitz in Salt Lake City
erreicht hatten. Manchmal haben wir mit gemeinnützigen
Einrichtungen oder anderen Glaubensgemeinschaften und
Wohlfahrtsverbänden zusammengearbeitet. In manchen Fällen standen
wir aber auch allein da und haben über unsere Lagerhäuser in der
Dominikanischen Republik oder über Miami oder Denver sofortige
Hilfsmaßnahmen eingeleitet; mit allen erdenklichen Mitteln haben
wir geholfen. Und während der Sofortbedarf weiter mit
Notlieferungen gedeckt wird, werden bereits Pläne für langfristige
Hilfe ausgearbeitet. Uns ist bewusst, dass der Wiederaufbau noch
Jahre dauern wird.
Es gab aber noch etwas, was mir aufgefallen ist, als die
Hilfsmaßnahmen nach und nach in Gang kamen. Was zuerst gebraucht
wurde, waren zwar Rettungsmaßnahmen, medizinische Versorgung,
Nahrungsmittel, Wasser und Zelte - doch was die Haitianer
angesichts ihrer Not gleich als Nächstes brauchten, war ein Ausweg
aus der Hoffnungslosigkeit.
Diese Aussage von den Führern meiner Kirche ist bei mir haften
geblieben:
„Geld ist nicht das Einzige, was in Haiti gebraucht wird. Die
Menschen sind verängstigt und verunsichert, ihre Zukunft ist völlig
ungewiss. Neben dem, was man tun kann, um die Menschen mit
Lebensmitteln, Wasser und einem Dach über dem Kopf zu versorgen,
braucht dieses bedrängte Land einen besänftigenden Einfluss. Wir
bitten unsere Mitglieder überall, von Gott Ruhe und Frieden für die
Menschen zu erflehen, solange die dringend benötigten Hilfs- und
Wiederaufbaumaßnahmen anhalten.“
Ich war nicht in Haiti. Ich saß an meinem bequemen Schreibtisch in
Salt Lake City und habe die schrecklichen Bilder unserer Nachbarn
in der Karibik auf dem Fernseh- oder Computerbildschirm
mitverfolgt. Aber diese Aussage hat mir geholfen, nachzuvollziehen,
wie es wohl einem 15-jährigen Mädchen in Haiti geht, das in einem
Feldlazarett auf einer Trage zu sich kommt und ihre letzte
Erinnerung ist, wie das Gebäude einstürzt, in dem sich ihre Familie
befindet. Ich habe mir vorgestellt, wie Menschen in dieser
Situation fassungslos damit zurechtzukommen versuchen, dass ein
Körperglied zertrümmert oder gar amputiert wurde. Auch die
freundlichen Ärzte, die ja Fremde sind und eine andere Sprache
sprechen, und ihre Anteilnahme können so einen Schlag nicht
aufwiegen. Auch können sie die Schmerzen der Kinder, die durch die
Katastrophe ihre Eltern verloren haben, nicht lindern. Bei allem,
was wir für das körperliche Wohl tun, scheint es richtig und
angebracht zu sein, unseren Vater im Himmel zu bitten, ihnen die
Ruhe und den Frieden zu schenken, die durch Hilfsmaßnahmen allein
nicht herbeigeführt werden können.
Manche Menschen fragen, wie Gott so etwas nur zulassen kann. Ich
gehöre nicht dazu. Tektonische Verschiebungen und irgendwelche
seismischen Kräfte haben dieses Beben verursacht, nicht Gott. Ich
glaube, es gehört zum Leben unweigerlich dazu, dass eine
Katastrophe unerwartet auch ganze Länder heimsucht und Männer,
Frauen und Kinder gleichermaßen trifft. Ich glaube auch, dass
Menschen unter solchen Umständen dazu neigen, einander zu helfen,
und dass das Beste, was im Menschen steckt, sich darin zeigt, wie
man einander beisteht.
Um Haiti zu helfen, arbeiten die unterschiedlichsten Organisationen
eng zusammen. Einige davon haben einen religiösen Hintergrund,
andere wiederum nicht. In den vergangenen zwei Wochen hat meine
Kirche mit den Vereinten Nationen, dem Amerikanischen Roten Kreuz
und mit den Hilfsorganisationen CARE, Food For The Poor,
International Relief & Development, Islamic Relief, Helping
Hands for Haiti und Airline Ambassadors zusammengearbeitet. Obwohl
sie alle sehr verschieden sind, will jeder, der sich für diese
Organisationen einsetzt, doch nur das Beste für die Menschen in
Haiti. Was sie alle antreibt, ist die Liebe zu ihren Brüdern und
Schwestern dort und die Sorge um sie. Das ist wahrer Gottesdienst
in seiner einfachsten und bedeutendsten Form.
Hinweis an Journalisten:Bitte verwenden Sie bei der Berichterstattung über die Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage bei deren ersten Nennung den vollständigen Namen der Kirche. Weitere Informationen hierzu im Bereich Name der Kirche.