Es war der 1. Oktober 2004, ein Tag vor der
Herbst-Generalkonferenz der Kirche Jesu Christi der Heiligen der
Letzten Tage. Dieter F. Uchtdorf ging mit seiner Frau Harriet
spazieren. In ihrer Unterhaltung kamen sie darauf zu sprechen,
welch historische Versammlung ihnen bevorstand, sollten doch nicht
nur einer, sondern gleich zwei Apostel unserer Zeit im Amt
bestätigt werden. Je weiter sie gingen und je länger sie
miteinander sprachen, desto mehr machten sich Uchtdorf und seine
Frau um diese Männer, deren Namen noch nicht bekannt gegeben waren
und deren Leben sich durch die Ernennung auf Lebenszeit für alle
Zeiten ändern würde, Gedanken.
„Sobald wir nach Hause kamen, gingen wir auf die Knie und
beteten für diese Männer und ihre Angehörigen“, erzählt
er. Tags darauf wurde ein verblüffter Dieter F. Uchtdorf ins Büro
von Präsident Gordon B. Hinckley bestellt, der ihm eröffnete, er
solle Mitglied des Kollegiums der Zwölf Apostel werden. Noch am
selben Wochenende stand er dann vor tausenden Mitgliedern der
Kirche, die sich im Konferenzzentrum mitten in Salt Lake City
versammelt hatten, und Millionen weitere Menschen in aller Welt
sahen ihn in der Satellitenübertragung. Seine Reaktion darauf, dass
er Apostel geworden war, beschrieb er so: „Ich bin mir
meiner Unzulänglichkeit sehr wohl bewusst und habe seit
Freitagmorgen dieser Woche in den vielen Stunden, die Tag und Nacht
vergangen sind und in denen ich mein Innerstes tief und oft
schmerzlich geprüft habe, eine heilige Qual
empfunden.“
Dass das Leben dieses Mannes, der am 6. November 1940 im heute
tschechischen Mährisch-Ostrau geboren wurde, einst mit dem
Apostelamt gekrönt werden sollte, schien zunächst unwahrscheinlich.
Präsident Uchtdorf war das jüngste von vier Kindern. Zweimal musste
seine Familie während seiner Kindheit flüchten. Als sein Vater Karl
zum Militär eingezogen und somit der Familie entrissen wurde,
wollte Uchtdorfs Mutter Hildegard der Westfront so nahe wie möglich
sein. Sie ließ all ihre Habe zurück und nahm ihre Kinder mit nach
Zwickau.
Karl Uchtdorf überlebte den Krieg, war aber ein erbitterter Gegner
sowohl des Nazi-Regimes als auch der kommunistischen Herrschaft. Da
er als Dissident galt, brachte er sich in Sicherheit. Er floh mit
seiner Familie in den Westen, nach Frankfurt am Main. Präsident
Uchtdorf bezeichnet seinen Vater als großen Idealisten mit einer
ausgeprägten Persönlichkeit. „Er lehrte uns, nach dem zu
handeln, was wir als recht erkannt hatten, und vom rechten Weg
nicht abzuweichen -- ohne Rücksicht auf die
Folgen.“
Über seine Kindheit sagt Uchtdorf: „Ich spielte in
ausgebombten Häusern und wuchs mit den allgegenwärtigen Folgen des
verlorenen Krieges und in dem Bewusstsein auf, dass mein Land
während des furchtbaren Zweiten Weltkriegs vielen Ländern
schreckliches Leid zugefügt hatte.“
Seine Mutter war es, die ihm unter großen Opfern immer wieder das
Leben lebenswert machte. Präsident Uchtdorf weiß noch, dass es zu
Weihnachten kaum Geld für das Allernotwendigste gab, geschweige
denn für Geschenke, und doch überraschte seine Mutter die Kinder
mit Christstollen. Erst Jahre später fiel ihm beim Betrachten von
Fotos auf, dass seine Mutter für sich nichts übrig behalten hatte.
„Manchmal sieht man in Kriegsfilmen Leute, die fast am
Verhungern sind. So sah auch meine Mutter aus, als sie uns
versorgen musste.“
Trotz der widrigen Umstände im Nachkriegsdeutschland habe der Herr
sich um seine Familie gekümmert, so Uchtdorf, und zwar in Gestalt
einer älteren alleinstehenden Frau, die seine Großmutter zu einem
Gottesdienst der Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage
einlud. „Meine Großmutter und meine Eltern nahmen die
Einladung an“, sagt er. „Sie gingen in die
Kirche, verspürten den Geist, waren von der Freundlichkeit der
Mitglieder berührt und ließen sich taufen.“
Als Dieter Uchtdorf acht Jahre alt wurde, ließ auch er sich taufen
-- in einem Hallenbad. Er erinnert sich lebhaft daran, wie
sorgenvoll er ins Wasser stieg, hatte er doch nie schwimmen
gelernt. „Ich werde nie das Gefühl der Wärme, Sicherheit
und Bedeutsamkeit vergessen, das über mich kam, als ich das Wasser
nach dem Vollzug dieser heiligen Handlung verließ“, sagt
er. Die Familie war ihrem neuen Glauben mit Eifer zugetan.
Präsident Uchtdorf hat in angenehmer Erinnerung, wie sein Vater und
seine zwei älteren Brüder festlegten, wer am Sonntag in der Kirche
den einzigen Anzug tragen durfte.
Die Liebe zur Fliegerei entdeckte Präsident Uchtdorf in seiner
Jugendzeit. Mit dem Fahrrad fuhr er zum Frankfurter Flughafen, sah
den Flugzeugen bei Starts und Landungen zu und malte sich aus, wie
es wohl wäre, sich eines Tages selbst in die Lüfte zu
erheben.
Um diesen Traum zu verwirklichen, begann er seine Karriere mit
einer technischen Ausbildung, als er 18 war. Dem schlossen sich
sechs Jahre in der Luftwaffe an. Damals kam er im Rahmen einer
beiderseitigen Vereinbarung zwischen der deutschen und der
amerikanischen Regierung an die Kampfpilotenschule in Texas, wo er
als Deutscher in der amerikanischen Luftwaffe die begehrtenWings
erwarb. Mit 29, also noch in jungen Jahren, wurde er Kapitän bei
der Lufhansa, bei der er zügig in die obersten Ränge aufstieg. 1982
wurde er zum Vorstand für den Flugbetrieb ernannt.
Begleitet wurde sein beruflicher Erfolg von Berufungen in etliche
Führungspositionen in der Kirche, der er seine Tätigkeit dann ab
1994 ausschließlich widmete. Jeder, der einmal mit Präsident
Uchtdorf gearbeitet hat, preist seine Führungsqualitäten und seine
Fähigkeit, auf andere zuzugehen. „Er ist den Menschen so
aufrichtig zugetan und spricht sie so direkt persönlich an, dass er
überall, wo er hinkam, in jeder Hinsicht mit offenen Armen
empfangen wurde“, berichtet Elder Dean Larsen.
Die Lektionen, die er in seiner Kindheit gelernt hat, wendet
Uchtdorf auch an: Er begegnet Widerständen mit Optimismus. So trug
er dazu bei, die deutschen Behörden davon zu überzeugen, dass die
Mormonen nicht als Sekte zu betrachten seien. Wäre die Kirche in
die Liste der Sekten aufgenommen worden, hätte das ihre Arbeit in
Deutschland sehr erschwert. Uchtdorfs Stellung bei der Lufthansa
stimmte die zuständigen Stellen zuversichtlich, dass von den
Mormonen nichts zu befürchten war -- so berichten es seine
Kollegen.
Trotz großer Verantwortung war Präsident Uchtdorf mit dem Herzen
stets zu Hause bei seiner Familie. Seine Frau Harriet lernte er bei
einer Versammlung der Kirche kennen. Ein paar Jahre später, am 14.
Dezember 1962, fand die Hochzeit statt.
„Sie ist wirklich wunderbar -- die beste Gefährtin, die
ich mir hätte wünschen können“, sagt Uchtdorf. Hanno
Luschin, ein langjähriger Freund und Mitarbeiter in der Kirche,
pflichtet ihm bei: „Trotz seiner Leistungen im Beruf und
in den verschiedenen Berufungen in der Kirche verdankt er einen
Großteil seines Erfolges der Art und Weise, wie er seine Ehe führt.
Das sieht man an seiner absoluten Treue gegenüber Harriet und an
ihrer nie versiegenden Unterstützung.“
Im Laufe der Zeit stellte sich bei Familie Uchtdorf auch Nachwuchs
ein: Guido und Antje. Antje sagt, sie verdanke dem Enthusiasmus
ihrer Eltern eine wunderbare Kindheit. „Meine Mutter
findet alles Mögliche interessant, und mein Vater macht alles
interessant. Bei ihm wurde aus allem ein Abenteuer -- selbst, wenn
man einkaufen ging. Wir haben als Familie so manches Mal die
tollsten Ferien verbracht, die sich ein Kind nur vorstellen
kann.“
Auch wenn Guido und Antje nun ihre eigene Familie haben und auf der
anderen Seite des Ozeans leben, verstehen sie sehr gut, dass ihr
Vater sich seiner Berufung verpflichtet fühlt, in aller Welt als
besonderer Zeuge Jesu Christi aufzutreten. Die Bemühungen seiner
Mutter, ihm in schweren Zeiten Kraft zu geben, haben sich Präsident
Uchtdorf bei seiner Arbeit unauslöschlich eingeprägt. Ihrem
Beispiel folgt er daher noch heute. „Wenn wir zu den
Menschen in aller Welt hinausgehen und mit ihnen zusammenkommen,
wollen wir sie aufrichten und ihnen helfen; wir wollen diejenigen
stärken, die eine Stärkung brauchen, wir wollen die müden Knie
stärken und diejenigen aufrichten, die den Kopf hängen lassen.
Genau das hat auch sie getan.“
Hinweis an Journalisten:Bitte verwenden Sie bei der Berichterstattung über die Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage bei deren ersten Nennung den vollständigen Namen der Kirche. Weitere Informationen hierzu im Bereich Name der Kirche.